christian.straessle@salzundstein.ch

Wie der Körper mit außergewöhnlichen Situationen des Lebens umgeht, das habe ich bereits mit dreieinhalb Jahren erfahren, als ich für einige Zeit zu einer Pflegemutter gegeben wurde. Heute weiß ich, dass das Drama bereits viel früher begonnen hatte. Wie der Körper immer wieder abspaltet, weil es der Psyche zu viel und zu laut ist und Angst die allgegenwärtige Bedrohung darstellt, erfuhr ich auch in den darauffolgenden Jahren im Kinderheim. Ich erlebte zahlreiche Situationen von physischer u/o psychischer Gewalt und blieb auch vor sexueller Traumatisierung nicht verschont. Die Konsequenz daraus war, dass ich für sehr lange Zeit ein «Leben» führte, das in Tat und Wahrheit einzig Überleben war. Die Kehrtwende kam, als ich an meinem ersten systemischen Seminar bei Jakob Schneider in München (1995) teilnahm, wo ich mein Anliegen vorbrachte, dass es mein Wunsch wäre herauszufinden, was Liebe ist. Es war mein innerstes Bedürfnis, die Wahrheit über mich selbst herauszufinden – weg von irgendwelchen Illusionen, an denen ich mich bis dahin orientierte. Nebst dem familiensystemischen Arbeiten war es wichtig, dass ich auch an meiner körperlichen Wahrnehmung arbeitete. Mit der Unterstützung meiner Atem- und Körpertherapeutin Lilo Ramser in Bern, lernte ich unter anderem zwischen einem Dasein in einer Watte bepackten Glasglocke und dem wachen Präsentsein zu unterscheiden. Zu diesem Arbeiten (2002) gehörte es auch, therapeutisch Tagebuch zu schreiben – und was ich zuerst fast widerwillig tat, zeigte sich dann als enorm heilender Prozess. Aus schlussendlich gut 3500 Seiten Tagebuch-Material entstand dann mein Buch Lavendelhonigkuss, das ich im Januar 2020 veröffentlicht habe. Ich bin ein lebendiger Mensch geworden, der mit wachem Geist durchs Leben geht und mit der richtigen Unterstützung von Fachpersonen gelernt hat, wie wirkungsvoll es ist, sich an der eigenen Identität zu orientieren und zu handeln. Menschen die mich näher kennen, wissen, dass ich mich gerne an der frischen Luft bewege – sei es auf dem Bike, beim Wandern oder Skitouren/-fahren – mit meiner Familie oder mit mir selbst. Ebenso würden sie vielleicht erzählen, dass ich gerne koche und mit Freunden das gemeinsame Sein genieße.

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