28. Jahrestagung der ISPPM: “Bindung und Geburt im transgenerationalen Kontext. Geburt als Resilienzfaktor seelischer Gesundheit – Seelische Gesundheit als Resilienzfaktor der Geburt

Für die 28. Jahrestagung der ISPPM e.V. im Jahr 2016, dem letzten Amtsjahr unseres seit sechs Jahren amtierenden Präsidenten Prof. Dr. Hildebrandt, haben wir ein Thema gewählt, das die komplexen Wechselwirkungen zwischen Geburtskultur und seelischer Gesundheit im gesellschaftlichen Kontext beleuchten soll. Der Titel der Tagung sollte alle Aspekte dieses Themenkomplexes enthalten, deshalb ist er ein zugegebenermaßen etwas sperriges Konstrukt, das ich im Folgenden etwas auseinandernehmen möchte:

Was ist Bindung?

Die Bindungstheorie sowie der Begriff Bindung sind seit geraumer Zeit in aller Munde, doch nur selten wird der Begriff der Bindung dabei klar definiert. „Attachment parenting“ ist ein Muss für junge Eltern, doch diverse Fallstricke lauern bei der Umsetzung eines Konzepts mit oberflächlich verstandenen Zusammenhängen eines komplexen Themas. Ich möchte hier nicht die Details der wissenschaftlichen Bindungstheorie referieren, sondern statt dessen zunächst von unserem Alltagsverständnis des Begriffs ausgehen, von den vielfältigen Assoziationen, die mit dem Begriff Bindung mitschwingen:

  • Anbindung à vorgeburtliches Nabelschnur-Band
  • Verbindung
  • Verbundenheit
  • Seilschaft
  • Soziales Netzwerk
  • Mitgliedschaft, Zugehörigkeit
  • Zusammenhang, Kommunikation
  • Gewebe
  • „das Netz des Lebens“
  • Verbindlichkeit à Vertrauen, Zuverlässigkeit
  • Eingebundenheit (transgenerational)
  • Beziehungsgeflecht
  • Verstrickung
  • Gebundenheit, Fesseln
  • Unfreiheit, Einschränkung
  • Abhängigkeit

Es wird schon jetzt deutlich, dass es sich um keine eindeutige Sache handelt, sondern eine mit tiefen Dimensionen und schillernden Facetten…

In der psychologisch-therapeutischen Literatur wird der Begriff „Bindung“ vor allem im Zusammenhang mit frühen Prägungen gebraucht. Es werden in der Bindungstheorie verschiedene Bindungsmuster unterschieden, die im Laufe unserer Sozialisation erworben wurden (sicher, unsicher-vermeidend, unsicher-ambivalent etc.).

Es handelt sich um tiefste psychosomatische Muster, die das gesamte spätere Beziehungsverhalten (privat und in gesellschaftlichen Rollen) ein Leben lang strukturieren. Die pränatale Psychologie hat festgestellt, dass diese Prägungen bereits vorgeburtlich stattfinden.

Statt von Muster kann man auch von „Bindungs-Matrix“ (lat. matrix „Gebärmutter“ = Muster, Struktur!) sprechen: Schon die etymologische Herkunft weist auf den Zusammenhang mit der uns alle wesentlich prägenden vorgeburtlichen Zeit hin. Hier waren wir maximal abhängig von einem anderen Menschen, hier war unsere Bindung, auch physisch am stärksten, hier wird unser Sinn für sozialen Zusammenhalt geprägt. Der Mensch ist ein soziales Wesen, das lebenslang von seinen Mitmenschen abhängig ist. Diese eigentlich simple Tatsache ist allerdings im kollektiven Bewusstsein negativ konnotiert. Das geistesgeschichtlich der Aufklärung zugesprochene Paradigma des „autonomen Selbst“, des „freien, mündigen Subjekts“ ist das bis heute vorherrschende Ideal. Niemand möchte „needy“ sein, niemand möchte als abhängig angesehen werden.

Aber  dieses Ideal ist illusorisch, da es nicht nur die lange Phase kindlicher Abhängigkeit, die vorgeburtliche Entwicklungsphase in symbiotischer Einheit mit dem mütterlichen Leib – und nebenbei bemerkt auch die Abhängigkeit von Fürsorge im Alter verdrängt. Und auch während der Phase des mündigen Erwachsenenalters ist Abhängigkeit ein gegebenes Faktum, das nicht ignoriert werden kann, ohne die Conditio Humana einseitig zu verkennen.

Seit geraumer Zeit findet auf vielen Ebenen ein Paradigmenwechsel statt; auch dieses Wort ist in aller Munde und wird inflationär für allerlei Modeerscheinungen verwendet. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass ein grundsätzliches Umdenken in vielen Bereichen stattfindet, ein Perspektivenwechsel, der dadurch charakterisiert ist, dass sich der Fokus verschiebt weg von der Betrachtung einzelner Objekte hin zu der Untersuchung der Beziehungen zwischen den einzelnen Objekten.

Paradigmenwechsel – in den Wissenschaften

Paradigmenwechsel – in der psychosozialen und therapeutischen Arbeit

Paradigmenwechsel – in der Geburtskultur

Allgemeiner, umfassender Paradigmenwechsel

Diesen komplexen Zusammenhängen wollen wir im Folgenden genauer auf die Spur kommen. Wir sind froh, so hochkarätige Referentinnen und Referenten für unsere Tagung gewonnen zu haben und danken ihnen herzlich für die Mitwirkung!

Tagungsband

Datum

21. - 23.Okt 2016
Expired!

Uhrzeit

Ganztägig
Nach oben scrollen