Pressemitteilung zur Jahrestagung 2015

Berlin. 27. Internationale Jahrestagung der ISPPM e.V.
23. -25. Oktober 2015
Thema:
„Ich spüre – also bin ich“
Bedürfnisse vorgeburtlicher Kinder und ihrer Eltern im Spannungsfeld zwischen geburtskulturellen Entwicklungen, Gesundheitspolitik, Grundrechten, Ethik und Ökonomie

Ca. 130 Teilnehmer waren zu dieser Fachtagung nach Berlin gekommen. Im Fokus standen der gegenwärtige Umgang mit Schwangerschaft und Geburt, die Bedürfnisse vorgeburtlicher Kinder und ihrer Eltern, sowie die Problematik daraus ableitbarer juristischer Rechte.
Konkret wurde auf drei Dokumente eingegangen: Die Charta der Rechte des Kindes vor, während und nach der Geburt, die von der ISPPM 2005 formuliert wurde, die Stellungnahme des Kinderrechtlers Bruce Abramson zur Umsetzung von Kinderrechten in der frühen Entwicklung von 2004 und eine Dokumentation: Versäumnisse im Mutter-Kind-Schutz, die Stellungnahme von vier Verbänden zu vorgeburtlichen medizinischen Routinehandlungen, die durch ihren invasiven Charakter Körperverletzungen darstellen.

Der Jurist Dr. Reinald Eichholz, Vorstandsmitglied der National Coalition (NC) Deutschland zur Umsetzung der UN Kinderrechts-konvention (KRK), erläuterte die juristischen Erfordernisse und den Stand der Diskussion im Zusammenhang mit den Rechten des vorgeburtlichen Kindes. Kinder vor der Geburt – bis zum Einsetzen der Wehen gelten zwar juristisch nicht als Personen. Die Rechte des Kindes vor der Geburt seien jedoch durch die Kinderrechtskonvention beschrieben, treuhänderisch wahrgenommen vor der Geburt und viele Jahre danach von seinen Eltern, weil es seine Rechte selbst nicht vertreten kann. Dieses Elternrecht sei grundgesetzlich verankert. Eltern haben das Interpretationsprimat für die Stimme des Kindes.
In der Diskussion mit den Tagungsteilnehmenden wurde deutlich, dass es einerseits ein wichtiges Anliegen sei, die Stimme des ungeborenen Kindes hörbar werden zu lassen und zu vertreten. Andererseits sei zu bedenken, dass ein eigener Rechtsstatus von Kindern vor und während der Geburt Dritten ein Zugriffsrecht auch gegen den Willen der Mutter verleihen könnte einschließlich der zeitlich befristeten Entmündigung von Gebärenden. Die Rolle der Eltern werde hingegen durch die KRK gestärkt.
Erika Feyerabend, Sozialwissenschaftlerin, thematisierte bedenkliche Fehlentwicklungen eines liberalisierten Gesundheitsmarktes, in dessen Gefolge die Vorsorge schwangerer Frauen immer weiter dem Zugriff des Gesundheitsmarktes ausgesetzt ist. Die Folgen für werdende Eltern schilderte eine Vertreterin der neu sich formierenden Elterninitiativen, Simone Vogel, Elternverein „HappyBirthday – Gemeinsam für eine selbstbestimmte Geburtskultur e.V.“
In vier Vorträgen wurde gegenwärtiges Wissen um die vorgeburtliche physiologische Basis der Menschwerdung referiert und die psychische Beziehungsentwicklung vorgetragen. Forschungen zu den Folgen häuslicher Gewalt in der Schwangerschaft und Wissen aus therapeutischen Behandlungsverläufen beleuchteten das große Spektrum von Einflüssen, die in der Schwangerschaft die Mutter-Kind-Einheit sowie den Vater betreffen.

Die Tagung verdeutlichte, dass die Beachtung der Rechte von Kindern einen umfassenden gesellschaftlichen Transformationsprozess erfordert; einen Bewusstwerdungsprozess, der gesamtgesellschaftlich unterstützt und getragen werden muss.
Es ist erstrebenswert, Menschen von Beginn an eine sichere Bindungsfähigkeit als Fundament für ein glückliches, kreatives Leben und eine authentische, starke Persönlichkeit mit auf den Weg zu geben. Um ihren Kindern dieses unschätzbar wertvolle Startkapital mitgeben zu können, brauchen Eltern umfangreiche Unterstützung von ihrem sozialen Umfeld. Das bedeutet ausdrücklich, dass auch Väter mehr Aufmerksamkeit bekommen und die Berufswelt sich darauf einstellt, dass werdende Väter die wichtige Aufgabe zu erfüllen haben, die Mutter des vorgeburtlichen Kindes zu umsorgen und ihr einen emotionalen Sicherheitsraum zu gewähren. Wenn das Baby da ist, sollte es eine Selbstverständlichkeit werden, dass Väter Mütter konkret von der Care-Arbeit für das gemeinsame Kind entlasten.

Wir brauchen eine neue Willkommenskultur für Babys! Das schließt auch eine achtsame, liebevolle, beziehungsgeleitete Schwangerschafts- und Geburtskultur ein, die die körperliche und psychische Verbundenheit von Mutter und Kind und Vater achtet und schützt.
Ehrengast Sandra Bardsley, Präsidentin der APPPAH (American Association for Prenatal and Perinatal Psychology and Health) wies die weltweite Bewegung zur Etablierung neuer Standards in der Geburtsbegleitung IMBCI (International MotherBaby Childbirth Initiative) hin.

Anlagen:

• Ausführlicher Tagungsbericht im RB_Nov_2015
• Auszug aus einem Rechtsgutachten zur Anwendung des § 1666 BGB (Kindeswohlgefährdung) auf das ungeborene Kind
• WHO statement “The prevention and elimination of disrespect and abuse during facility-based childbirth”

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