Was bedeutet „niedriges Risiko“ – „hohes Risiko“ – „unklarer Befund“ ?
Der Bluttest ist keine Schwangerschafts-Vorsorge sondern ein Test
NIPT bedeutet: Nichtinvasiver Pränatal-Test. Nichtinvasiv drückt aus, dass der Mutter Blut zur Testung abgenommen wird. Invasiv bedeutet, dass durch Fruchtwasserpunktion und Chorionzottenbiopsie unmittelbar kindliche Zellen entnommen werden. Im mütterlichen Blut können ab der 9. bzw. 10. Schwangerschaftswoche winzige Spuren des kindlichen Erbguts untersucht werden.
Für den Test wird bei schwangeren Frauen von FrauenärztInnen und von Test-Herstellern geworben. Zurzeit müssen solche Tests noch selbst bezahlt werden. Ab Frühjahr 2021 übernehmen die Krankenversicherungen die Kosten.
Definition von Screening
Screening ist ein englischer Begriff, der ins Deutsche übersetzt meist als „Suchtest“ bezeichnet
wird. Mit dem NIPT als Suchtest wird keine Diagnose gestellt. Das Ergebnis eines Suchtests gilt in
der Medizin als Hinweis auf ein Merkmal, z.B. ein Gesundheitsrisiko oder eine Gesundheitsstörung.
Wonach sucht der Bluttest?
Der NIPT sucht nach dem Risiko für eine Chromosomen-Abweichung bei ungeborenen Kindern, vorrangig nach Trisomie 21 (Down-Syndrom). Bei diesen Kindern ist das Chromosom 21 dreifach statt zweifach vorhanden.
Wie zuverlässig ist der Blutest?
Die Testhersteller bewerten das Ergebnis lediglich mit: „niedriges Risiko“, „hohes Risiko“ oder „unklarer Befund“ bzw. „auffällig oder „unauffällig“. Hinter diesen Bewertungen verbergen sich Zahlen für „falsch positive“ oder „falsch negative“ Testergebnisse, die von den Herstellern nicht mitgeteilt werden. Sie legen sich nicht fest. Sie fordern aber auf: „Positive Testergebnisse müssen im Anschluss durch diagnostische Verfahren, wie z. B. eine Furchtwasseruntersuchung, mit eigenen Risiken bestätigt werden.“
Bericht im Deutschen Ärzteblatt
Das Deutsche Ärzteblatt hat hierzu am 14. 2. 2020 einen Bericht veröffentlicht: „Nichtinvasive
Pränataltests. Risiko für Fehlinterpretation“. In dem Bericht wird darauf hingewiesen, wie
„irreführend positive Befunde sein können“. Die Autorin des Berichts hat die richtig- und falschpositiven Testergebnisse für schwangere Frauen getrennt nach Alter und Art der Trisomie
berechnet. Die Zahlen für Trisomie 21 sind in der Tabelle zusammengestellt. Der Bericht ist online
verfügbar.
Die rechte Spalte zeigt, wie viele Frauen ein falsches Ergebnis bekommen. Von 100 30jährigen Frauen mit auffälligem (positivem) Test, sind 39 nicht betroffen. Erst durch eine weitere invasive Testung erhalten die Frauen Gewissheit. Für die Trisomien 18 und 13 sind die Ergebnisse noch unzuverlässiger: Bei 30jährigen positiv getesteten Frauen sind 79% (Trisomie 18) bzw. 90 % (Trisomie 13) der Kinder nicht betroffen. Deshalb muss auch hier bei positiver Testung immer eine
invasive Untersuchung mit entsprechenden eigenen Risiken s.(1) und (2)folgen.
„Nichtinvasiv“ – stimmt nur bedingt
Die Angabe, dass der NIPT den schwangeren Frauen eine invasive Methode erspare, trifft nur auf Frauen zu, die negativ getestet wurden. Das sind die meisten Frauen. Bei positivem Ergebnis, egal ob mit „niedrigem“ oder „hohem“ Risiko oder bei „unklarem Befund“, muss sich eine betroffene Frau einem invasiven Test unterziehen, um Sicherheit zu bekommen.
Mitnahmeeffekt und mögliche Folgen
Die Gefahr besteht, dass viele schwangere Frauen einen Bluttest machen werden, weil er kostenlos angeboten wird. Sie können nichtsahnend geschockt werden und in eine Spirale von Unsicherheit, Sorgen und Konflikten geraten. Wenn auch selten, so kann vorkommen, dass der Test zu einem negativen Ergebnis kommt und beim Kind in Wirklichkeit eine genetische Abweichung besteht, die aber nicht erkannt wurde. Es braucht also eine gute Abwägung von möglichen Folgen der Eltern vor
Inanspruchnahme der Bluttests.
Einige Definitionen
Für schwangere Frauen und ihre Partner ist die Zuverlässigkeit des NIPT von großer Bedeutung. Deswegen möchten wir einige wissenschaftliche Begriffe erläutern.
Falsch positiv
Falsch positiv bedeutet: Die schwangere Frau bekommt eine Bewertung mit einer Risikoangabe, ohne dass das Kind in Wirklichkeit betroffen ist. Bei Screening-Methoden steht das Erkennen möglichst aller Betroffenen im Vordergrund. Daher wird in Kauf genommen, dass ein erheblicher Anteil der positiv Getesteten falsch positiv ist. Dieser Anteil ist umso größer je geringer das Vorkommen (die Prävalenz) des Merkmals ist. Da die Prävalenz von Trisomie 21 bei Kindern jüngerer Frauen seltener ist als bei älteren Frauen, ist der Anteil der falsch positiv getesteten Frauen mit jüngerem Alter besonders hoch.
Falsch negativ
Die schwangere Frau erhält die Bewertung „keine Trisomie“, obgleich das Kind
betroffen ist
Positiv prädiktiver Vorhersagewert (PPV)
Dieser Wert definiert den Anteil der richtig positiven an den insgesamt positiv getesteten Personen. Da die falsch positive Rate bei jüngeren Frauen höher ist als bei älteren, ist der PPV geringer. Ein Beispiel: Bei Frauen im Alter von 30 Jahren sind von 100 positiv getesteten Frauen nur 61% tatsächlich positiv, bei 39% ist das Kind nicht von der Trisomie 21 betroffen. Bei 38 Jahre alten Frauen ist der PPV mit 88% höher, aber noch immer besteht bei 12% der Kinder keine Trisomie 21.
Sensitivität
Die Hersteller geben die allgemeine Zuverlässigkeit des Bluttestes für Trisomie 21 mit über 99% an. Hinter dieser Zahl verbirgt sich die sog. „Sensitivität“, d.h. „Erkennungsrate“. 99% der Kinder mit einer Trisomie werden erkannt. Hinzu kommt aber eine „falsch positive Rate“, die umso höher ist, je jünger die Frau ist. Diese Zahlen werden vom Hersteller nicht genannt und durch den Begriff „Sensitivität“ nicht definiert.
Fruchtwasserpunktion
Einstich mit einer Hohlnadel durch die Bauchdecke der Frau in die Fruchtblase. Fehlgeburtsrisiko: 0,5-1 % (1 von 100-200 Frauen) (Angabe BZgA).
Chorionzottenbiopsie
Einstich mit einer Hohlnadel durch die Bauchdecke der Frau in die sich bildende Plazenta (Mutterkuchen). Fehlgeburtsrisiko: 0,5-2 % (1 von 50-200 Frauen) (Angabe BZgA).
Quellen:
BZgA: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Gießelman, Kathrin (2020): Nichtinvasive Pränataltests: Risiko für Fehlinterpretation. Deutsches
Ärzteblatt 117:320-324 (abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/212522/NichtinvasivePraenataltests-Risiko-fuer-Fehlinterpretation)